DER TRAUM VON DER KUNSTWERKSTATT
(von Brigitte Mayr, Gründerin der Kinderkunstwerkstatt Königstein e.V)
Nicht nur eine Malschule sollte es werden. Auch Theater, Tanz und Literatur sollten Kinder an diesem noch geträumten Ort kennen lernen und selbst ausprobieren. Profis aus allen Kunstsparten sollten in Fächer übergreifenden Projekten mit den Kindern gemeinsam arbeiten. Im spielerischen Umgang mit grundlegenden Formen künstlerischen Ausdrucks sollten Kinder eine aktive, kritische und selbstbewusste Beziehung zu Kunst, Kultur und Medien entwickeln.
Eine Idee, ein Traum.
Würden wir in der Kleinstadt, in einiger Entfernung von Hochschulen und Kunstzentren, genügend professionelle Mitarbeiter*innen finden können, die mit den Kindern arbeiten wollten? Würde es uns möglich sein, in unserer Stadt, deren Quadratmeterpreise zu den höchsten Deutschlands gehören, geeignete Räume zu mieten?
Ein Konzept zur Verwirklichung
entstand. Welche Entscheidungsträger mussten überzeugt werden? Wie konnten Kinder und Eltern von dem Projekt erfahren? Würden sie es unterstützen?
Bald stellte sich heraus:
1991 war die Zeit, in der finanzielle Mittel für freiwillige Aufgaben der Städte und Kreise vorhanden waren, vorbei. Die Stadt Königstein, der Hochtaunuskreis, das Land Hessen machten deutlich, dass mit öffentlichen Zuschüssen für das geplante Projekt nicht zu rechnen war. Die Kinderkunstwerkstatt würde also ohne staatliche Förderung aufgebaut werden müssen. Trotzdem sollten die Teilnehmerbeiträge erschwinglich für alle Kinder sein.
Den Mut dazu
gab der überwältigende Zuspruch: Eltern, Kinder, Künstler*innen, Kunst-, Theater- und Tanzpädagog*innen waren von der Idee begeistert und versprachen volle Unterstützung. Im Februar 1991 wurde der gemeinnützige Förderverein „Kinderkunstwerkstatt“ gegründet, dem 65 Familien beitraten. Da immer noch keine geeigneten Räume gefunden waren, luden die Mitglieder des neu gegründeten Vereins im September 1991 zum symbolischen Bau eines „Kinderkunsthauses“ in den Königsteiner Kurpark ein.
Das Experiment konnte beginnen!
Wir druckten das erste Kursprogramm. 15 Kurse und Workshops in zunächst zwei Bereichen, der „Malwerkstatt“ und der „Theaterwerkstatt“ wurden angeboten, 134 Kinder meldeten sich an! Die niedrige Miete, eine teilweise vom Arbeitsamt finanzierte Halbtagsstelle für die Verwaltung und viel ehrenamtliches Engagement von Vereinsmitgliedern und Mitarbeiter*innen machten den Beginn ohne sonstige öffentliche Förderung im Januar 1992 möglich.
Allein die Begeisterung
der teilnehmenden Kinder sorgte für so viel „Mundpropaganda“, dass immer mehr Kinder und bald auch Jugendliche mitmachen wollten. In den folgenden Jahren wurde das Kursprogramm mehr und mehr erweitert. Die jungen „Künstler*innen“ malten, zeichneten, formten und bauten unter professioneller Anleitung. Sie besuchten gemeinsam Theater, Galerien und Museen. Sie spielten Musicals und Theater, übten sich in Zirkuskünsten, schrieben Texte und produzierten Radiosendungen und Videofilme.
Eigene Ausstellungen und Projektpräsentationen
zogen die Aufmerksamkeit der regionalen Öffentlichkeit auf sich. Eine Königsteiner Bank übernahm eine „Patenschaft“ und half zusammen mit anderen Sponsoren und Spendern, die größten finanziellen Sorgen zu überwinden. Fächerübergreifende Projekte wurden vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert.
Bald wurden die Räume zu klein.
Die Kunstschule, vollgestopft mit Material und Arbeitsmitteln, platzte aus allen Nähten, zudem sollte das Gebäude verkauft und abgerissen werden. Wie sollten wir aber in Königstein ohne öffentliche Förderung die ortsübliche Miete für die nun schon benötigten dreihundert Quadratmeter finanzieren, ohne zu einer Kunstschule nur für Kinder begüterter Eltern zu werden?
Wir hatten Glück.
Nach mehreren ergebnislosen Ansätzen fanden wir Ende 1998 ein renovierungsbedürftiges Objekt, das zu niedrigem Preis langfristig zu mieten war, wenn wir die Renovierung selbst übernehmen konnten. Dafür mussten aber in wenigen Monaten mindestens 300.000 DM bereitgestellt werden. Dies war eine Summe, die unmöglich durch den Kunstschulbetrieb zu erwirtschaften war.
Wir wagten es.
Mit vielen fantasievollen Aktionen und Ideen begannen Eltern und Künstler*innen, Mitarbeiter*innen und Vereinsmitglieder Geld für den Umbau zu sammeln. Als große Hilfe erwies sich ein Königsteiner Familienvater, der als „Mr. 50 %“ versprach, alle innerhalb von sechs Monaten eingehenden Spenden bis zu einer Höhe von 150.000 DM zu verdoppeln. Viele kleine und große Spenden von Privatpersonen, Geschäftsleuten und Stiftungen halfen, dieses Ziel zu erreichen, sodass im Herbst 1999 sogar 370.000 DM für Umbau und Einrichtung zur Verfügung standen.
Das große Einweihungsfest feierten wir
nach fast einem Jahr Umbau im August 2000. Prof. Dr. Jean-Christoph Amann, Direktor des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt, eröffnete die neuen Räume. Die Malkinder zeigten eine Ausstellung, die Theaterkinder ihr neues Theaterstück und eine Woche lang konnten alle Kinder bei „offener Tür“ die verschiedenen Werkstätten ausprobieren und kennen lernen.
Auf Wunsch der Jugendlichen strichen wir das Wort „Kinder“ aus dem Namen der Schule. Sie heißt jetzt „Kunstwerkstatt“. Zwei große Ateliers und ein kleines Theaterstudio, Verwaltungsräume und ein großes Materiallager ermöglichen nun doppelt so vielen Kindern und Jugendlichen, an den Aktivitäten teilzunehmen. Auch für Erwachsene bietet die neue Kunstschule Kurse an.
Die Freude und Ernsthaftigkeit,
mit welcher die Kinder und Jugendlichen sich ihren Aufgaben in der Kunstschule widmen – die Zweijährigen mit ihren ersten Experimenten ebenso wie die jungen Leute, welche sich auf den Besuch einer Kunsthochschule vorbereiten – machen die Kunstwerkstatt zu einem lebendigen, kreativen Ort voller Ideen und Impulse.
Der einstige Traum ist realisiert.
Mit wöchentlich über dreihundert Teilnehmer*innen ist die Idee zu einem Erfolg geworden. Aber immer noch müssen über 90 Prozent der Kosten durch Teilnehmerbeiträge finanziert werden. Damit diese nicht steigen müssen, bemühen wir uns für die restlichen 10 Prozent um Spender, Sponsoren und weitere Mitglieder für den Förderverein.
Ohne den Idealismus,
das Engagement und das Talent zur Improvisation aller Menschen, die mit den jungen „Künstlern“ und für sie arbeiten, hätte die Kunstschule nicht so erfolgreich werden können.
Allen, die sich in diesen vergangenen Jahren für die Kunstwerkstatt in Königstein eingesetzt haben: Herzlichen Dank!